Vor circa 8 Jahren sind wir nach Weinstadt gezogen. Die Gegend ist einfach traumhaft und besticht durch ihre wunderschönen, bunten Weinberge. Sie weckt das Gefühl von Urlaub in mir. Die Stadt an sich ist bestückt mit kleinen Details, die auf dem Weg zu finden sind. Zum Beispiel haben wir ganz besonders schöne Brunnen, die von unterschiedlichen Künstlern geschaffen wurden.
Der damalige Kindergarten von meinem Sohn liegt direkt am Fuß der Weinberge. Ich hätte mir gewünscht, umgeben von solch einer schönen Landschaft aufzuwachsen. Unzählige Stunden haben wir gemeinsam an der Rems verbracht, die sich durch die Stadt Weinstadt durch schlängelt. Auf der Suche nach den kleinen Fischen haben wir möglichst still in das halbwegs klare Wasser geschaut, in dem sich die Sonne spiegelte. Die Schönheit der Natur hat uns ein Stück weit getragen und schuf immer wieder Platz, neu aufzuatmen.
Trotz der Schönheit der Stadt und deren Umgebung erinnert uns dieser Ort auch an unsere unschönen Ereignisse. Es war auch der Platz unserer persönlichen Schicksalsschläge. Themen, die noch in der Luft liegen und weiter mitschwingen. Das Sprichwort: "Die Zeit heilt alle Wunden", trifft definitiv nicht zu. Die Zeit schwächt lediglich Erinnerungen ab und lässt sie irgendwann wie durch einen Filter sehen.
Ich habe mir für meinen Sohn eine unbeschwerte Kindheit gewünscht. Ein heiles Familienleben und vieles mehr, aber das konnte ich ihm nicht ermöglichen; das stand einfach nicht in meiner Macht. Zu spät war der Zeitpunkt des Erwachens, als ich das alles verstanden habe. In meinem Sohn wurde das Grundvertrauen zerrüttet und auch bei mir hatte es damals seine Spuren hinterlassen.
Jetzt können wir zurückblicken an einen Ort der Schönheit und einen Ort der Abgründe. Auch wenn wir gehen, werden die guten als auch die schlechten Erinnerungen bleiben.
Ich hatte damals ein "NEIN" für einen Umzug, obwohl mich alles raus aus dieser Stadt zog. Doch es wurde wenige Monate später klar, warum es erstmal gut war zu bleiben. Eine Entscheidung, die ich zu Beginn nicht verstanden habe, aber deren Richtigkeit sich mit der Zeit immer mehr herauskristallisierte.
Auch wenn es schwer war, aber der alte Ort der Erinnerungen gab auch Raum für Sicherheit.
Sicherheit durch dieselben Abläufe, dieselbe Schule, dieselben bekannten Nachbarn, dieselben Bedingungen und dieselbe Anfahrt zur Arbeit. Zeit und Möglichkeit das Erlebte an diesem Ort aufzuarbeiten und zu verarbeiten. Nicht die Flucht zu ergreifen und mein Leben lang einen großen Bogen um die Gegend zu machen, sondern auch diese Umgebung mit einem guten Gefühl und gut überlegt zu verlassen.
Abschließend kann ich die Frage nicht beantworten, welche Faktoren genau meine Entscheidung, erstmal zu bleiben, bestimmt haben. Und ob die Entscheidung am Ende auch unbewusst einer Unsicherheit in Zeiten des persönlichen Umbruchs und fehlendem Mut zur Veränderung zuzuschreiben ist.
Aber es ist herausfordernd, solche einschneidenden Entscheidungen zu treffen, zumal die Konsequenzen für uns und alles, was es mit sich bringt, nur schwer einzuschätzen waren.
Im Gebet habe ich Gott das alles hingelegt und ihn um Weisheit für die Entscheidung gefragt. Ihn um Kraft gebeten, dass er uns beisteht und uns Stärke und Gnade auf unserem Weg gibt, auch wenn unser Weg erstmal bedeutet zu bleiben.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft auf deinem Weg, ganz egal, wo du gerade stehst.
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